Predigt vom Sonntag Oculi (Online-Gottesdienst) am 15. März 2020

Predigt von Pfr. Christopher Piotrowski zu Lukas 9,57-62:

Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Lukas 9,57-62 (Luther 2017)

Liebe Schwestern und Brüder,

in unsem ersten Online-Gottesdienst geht es um Nachfolge. Genauer: Es geht um das, was man tun muss, um – in heutigem Deutsch – Follower von Jesus zu werden. Was könnte also passender sein für unsere Online-Gottesdienst-Premiere?

Heute ist es ganz einfach, Follower zu werden. Ein Maus-Klick auf einen Button reicht aus, um über alles Informiert zu werden, was jemand veröffentlicht. Ob man sich das anhört oder liest, ist jedem selbst überlassen.

Vor 2000 Jahren und mit Jesus war das anders. Um ihm zu folgen, musste man aufstehen und seine Beine bewegen. Loslaufen, fortgehen, ihm hinterher. Im Evangelium wird von drei Leuten erzählt, die genau das vorhaben. Sie haben von Jesus gehört. Sie finden toll, was er sagt und tut. Sie wollen eine Weile mit ihm umherziehen. – Und Jesus sagt: So wie ihr gerade drauf seid, wird das nichts.

Das ist so, als wollte man heute auf einen „Folgen“-Button klicken und dann würden einem die AGB vorgelesen werden. Ernsthaft mit allen Feinheiten und Fallen.  Das wäre zwar sehr transparent. Aber vor allem wäre es oft bestimmt abschreckend, wenn man erfährt, worauf man sich da eigentlich einlässt.

Bei Jesus geht es bei der Nachfolge darum, ob jemand es schafft, die Ansprüche Jesu an seine Nachfolger zu erfüllen. Und die sind ganz schön heftig, wenn man sich das mal genauer anschaut.

Der erste kommt selbst zu Jesus. Er sagt vollmundig: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Das Problem: Er weiß nicht, was diese Gemeinschaft mit Jesus bedeutet. Füchse haben ihre Gruben, Vögel haben ihre Nester, aber Jesus hat nichts: Jegliche Ruhe und Sicherheit aufgeben, um Jesus nachzufolgen – kann dieser Mensch das gewollt haben?

Den zweiten spricht Jesus selbst an. Und der will auch, aber – sein Vater ist kurz zuvor gestorben. Er ist als Sohn und Erbe verantwortlich für das Begräbnis. Er will zwar Jesus folgen, aber noch nicht jetzt. Nicht sofort. Noch eine kurze Zeit. Noch ein Zögern aus dem allerbesten Grund. Nein, kein Aufschub. Lass die Toten ihre Toten begraben.

Der nächste geht wieder selbst zu Jesus. Auch er kann nicht gleich mitkommen. Nur eine Kleinigkeit: Er will sich noch verabschieden von denen, die er in seinem Haus zurücklässt; seine Eltern, seine Geschwister. Jesus antwortet wieder ganz streng: Nein, ist nicht drin. Entweder gleich oder gar nicht. Der Blick zurück ist nicht zulässig.

Ihr merkt: „Nachfolge“ ist kein leichtes Thema. In der Kirche von heute wird darüber eher wenig gesprochen. Eine Ausnahme gibt es aber: Dietrich Bonhoeffer. Dietrich Bonhoeffer war ein evangelischer Theologe, der in der Zeit der Naziherrschaft in Deutschland gewirkt hat. Er hat im Jahr 1937 ein Buch veröffentlicht, das heißt sogar „Nachfolge“. Und seit drei Monaten haben wir in unserer Gemeinde eine Gruppe, die sich mit diesem Buch von Dietrich Bonhoeffer beschäftigt.

Was soll ich euch sagen? Es ist ein zähes Ringen. Bonhoeffer verlangt den Lesenden eine Menge ab. Er setzt sich auch mit unserem Evangelium von heute auseinander: Nachfolge bedeutet für Bonhoeffer Gehorsam – ein Wort, das man sonst eher aus dem militärischen Bereich kennt. Aber – denkt daran: 1937 – eben nicht Gehorsam gegenüber einem politischen Führer, nicht Gehorsam gegenüber militärischen Befehlen, nicht einmal Gehorsam gegen Eltern, sondern: Gehorsam gegenüber Jesus.

Jesus sagt: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Mensch liebt.
Jesus sagt: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Mensch hält andere Backe hin.
Jesus sagt: Folge mir nach. Mensch steht auf und geht Jesus hinterher.
Kein Zögern, kein Diskutieren, kein Grübeln. Einfach so, weil Jesus ruft.

Jesus sagt: Gebt niemandem die Hände und wascht sie euch regelmäßig, damit ihr euch nicht ansteckt. Mensch gibt niemandem die Hände und wäscht sie regelmäßig. – Nein, das hat Jesus so nicht gesagt. Bitte trotzdem daran halten. Gehorsam.

Für Bonhoeffer bedeutete die Nachfolge aktiven Widerstand gegen die Nazis um Jesu Christi willen. In seiner Situation durfte es für ihn kein Zögern, kein Diskutieren, kein Grübeln geben. Alles das hätte seinen Kampf gegen das Regime gefährdet.

Bonhoeffer hat Jesus dabei an seiner Seite. Auch Jesus ist in dieser Frage sehr unnachgiebig. Den ersten Gemeinden, die diese Worte Jesu im Lukasevangelium gelesen haben, war vollkommen klar, warum Jesus hier so hart sein muss. Sie wurden verfolgt. Sie waren gefährdet, wenn hier jemand zögerte, diskutierte oder grübelte. Wer zur Kirche dazugehören wollte, musste ohne Wenn und Aber dazugehören.

Nachfolge ist heute vor allem eins: Als Christ oder Christin zu tun, was man glaubt. Das eigene Vertrauen auf die Liebe Gottes in ein Handeln umzusetzen. Das eigene Vertrauen im Leben so stark sein zu lassen, dass man nicht zögern muss, nicht diskutieren, nicht grübeln. Getragensein vom Glauben. Nicht gehemmt sein durch den Glauben.

Das ist wie Tanzen. Die Musik ist die Liebe, das Tanzen ist die Nachfolge. Wenn ich beim Tanzen zögere, diskutiere oder grübele, dann bin ich nicht mehr im Takt, dann stolpere ich oder trete meinem Tanzpartner auf die Füße. Wenn ich als Mann beim Tanzen führe, dann bringe ich auch noch meine Tanzpartnerin durcheinander, die dann ebenfalls aus dem Takt kommt. Nicht mehr die Musik leitet dann mein Tun und meine Bewegungen, sondern meine Unsicherheit, mein Misstrauen.

Wenn ich nachfolge, dann tanze ich mit Gott. Ich lasse mich von seiner Liebe leiten wie von der Musik beim Tanzen. Ob ich gut tanzen kann oder schlecht, egal – Hauptsache, ich lasse die Liebe durch mich hindurch strömen. Ich bin im Takt mit Gott. Tanzen hat viel mit Hören zu tun, ein bisschen Ge-hor-sam ist also tatsächlich dabei. Ich muss wissen, auf welche Musik ich hören will. Ich muss sie unterscheiden können von anderen Klängen und Geräuschen.

Dann folge ich Jesus nach. Nicht blind gehorchend, sondern fühlend und hörend. Nicht zum Marschieren gezwungen, sondern zum Tanzen befreit. Nicht misstrauisch und zögernd, sondern fröhlich und kräftig in der Liebe Gottes.

Abschließend seid auch ihr eingeladen, in dieser denkwürdigen Zeit der Weinberggemeinde zu folgen – das ist ausnahmsweise wieder ganz einfach. Bisher haben wir eine Telegram-Chatgruppe sowie einen Telegram-Nachrichtenkanal eingerichtet. Weitere werden folgen. Lasst uns zusammen weitertanzen. Wenn es offline nicht geht, dann eben online.

Amen.